Vorwort
Im Jahr 2007 konnte ich meine
Erfahrungen über Kryptopyrrolurie
in Leben mit KPU-Kryptopyrrolurie
erstmals einem größeren
Personenkreis vorstellen.
Es war ein aufregendes Ereignis,
dass ein schulmedizinisch
Ausgebildeter plötzlich
begann, Patienten mit körperlichen
und geistigen Störungen
mit einer Mikronährstofftherapie
zu behandeln. Viele Menschen,
insbesondere Kinder konnten
von dieser Therapie sehr viel
profitieren. Es geht ihnen
inzwischen so gut, dass sie
nicht mehr auf den Gedanken
kommen, diese Therapie wieder
zu beenden. Aber, es gab auch
Menschen, bei denen die Therapie
nur teilweise oder überhaupt
nicht helfen konnte. Es waren
besonders Menschen, bei denen
psychische Auffälligkeiten
im Vordergrund standen. Bei
ihnen musste nachgebessert
werden. Auch das gelang in
vielen Fällen, aber leider
auch nicht immer. Dafür
wurden die verschiedenen Neurotransmitter
gemessen und dann die entsprechenden
Aminosäuren, also die
Vorläufersubstanzen,
substituiert. Auch auf die
Hormone wurde geachtet: Schilddrüsen-,
Nebennieren- oder Geschlechtshormone.
Aber ein gemeinsamer Ansatz
fehlte bisher immer noch.
Was war
das Verbindende? Gab es vielleicht
doch ein übergeordnetes
System?
Wenn man das hätte, dann
gäbe es vielleicht weitere
Behandlungsoptionen.
Carl C. Pfeiffer (1908-1988),
dem wir das Konzept der Kryptopyrrolurie
verdanken, hatte auch das
Histamin im Visier. Von ihm
stammten die Begriffe Histapenie
und Histadelie. Sein
Schüler William J. Walsh
konnte zeigen, dass es genaugenommen
nicht am Histamin, sondern
am Methylierungs-Grad lag.
Von ihm stammten dann auch
die Begriffe Untermethylierung
und Übermethylierung.
Von ihm kam auch der Hinweis,
dass durch eine Methyl-Gruppen-Übertragung
verschiedene Gene an und abgeschaltet
werden könnten. Ein Defizit
an Mikronährstoffen führte
dann zu entsprechenden Reaktionen.
Der Therapeut wäre also
in der Lage, durch Änderung
der Genexpression Krankheiten
zu behandeln. Dies wäre
natürlich eine bemerkenswerte
Errungenschaft.
Das aber ist nichts anderes
als Epigenetik. Darüber
wird noch viel
in den nachfolgenden Kapiteln
berichtet werden. Das würde
dann
aber bedeuten, dass Pfeiffer
und Walsh Pioniere der Epigenetik
waren,
und wir ihnen heute nur weiter
folgen müssten, um die
Entstehung
von Krankheiten besser zu
verstehen. Gleichzeitig hätten
wir
dann vielleicht aber auch
neue Therapiemöglichkeiten
zur Verfügung.
In diesem Buch wird auch die
historische Entwicklung dargestellt.
Dadurch werden die Zusammenhänge
besser verständlich.
Beginnend
mit der Kryptopyrrolurie wird
dann der weitere Entwicklungsprozess
erkennbar. Epigenetik von
seinen Anfängen bis heute.
Dieses Buch richtet sich vor
allem an Hausärzte. Sie
sind immer
bemüht, eine ganz individuelle
Therapie für ihre Patienten
zu finden,
und sie kennen ja auch ihre
Patienten ganz besonders gut.
Die
hier vorgestellten Therapiemöglichkeiten
sollen als Ergänzung
zur
leitliniengerechten Therapie
verstanden werden. Sie stehen
nicht in
Konkurrenz zu einander. Hier
beginnt also der Einstieg
in die Epigenetik
für Hausärzte.
1. Wie alles begann,
Pyrrolurie
Tim Reckmann / pixelio.de
Bereits in den 50er Jahren
des letzten Jahrhunderts wurde
in Kanada
begonnen, bei verschiedenen,
überwiegend psychischen
Erkrankungen,
vermehrt Mikronährstoffe
einzusetzen. Alles begann
damals mit Niacin oder mit
Nicotinsäureamid, also
mit Vitamin
B3.Tatsächlich konnten
dadurch verschiedene Symptom
dieser Erkrankungen
gebessert werden. Abram Hoffer
war ein Pionier dieser
Therapie. Später arbeitete
er mit Carl C. Pfeiffer zusammen.
Beide
konnten eine Stoffwechselstörung
nachweisen, die sie als Pyrrolurie
bezeichneten. Ein Zink- und
Vitamin B6-Mangel stand bei
diesen
Patienten dabei ganz im Vordergrund.
Viele Ärzte setzten damals
diese Therapie ein. 1973 überprüfte
eine Arbeitsgruppe der American
Psychiatric Association
(APA) eine große Zahl
von Studien
und kam zu der Aussage, dass
die Wirksamkeit dieser Therapie
nicht gerechtfertigt sei.
Das war sicherlich damals
für Carl C. Pfeiffer
eine große Enttäuschung
gewesen.
Abram Hoffers Nährstofftherapie
wurde also von der etablierten
Medizin nie akzeptiert, aber
einige Ärzte auf der
ganzen Welt setzten
sie dann trotzdem bis heute
weiterhin ein.
Pyrrole wurden also vor über
70 Jahren entdeckt. Die rötlich-violette
Farbe des Urins kam diesen
Forschern zu Hilfe. Sie sprachen
damals
von einer malvenfarbenen Tönung
des Urins. Beim Zusatz von
Ehrlich-Reagenz
zum Urin entstand diese Verfärbung.
Dieses
Ehrlich-Reagenz ist eine Lösung
aus 2 % Dimethylaminobenzaldehyd
in 20 %iger Salzsäure,
die dazu benutzt wird. Dieser
Malvenfaktor
wurde dann zum Gegenstand
aktiver Forschung. Einige
Patienten
mit psychischen Problemen
hatten damals den Malvenfaktor.
Die weitere Forschung ergab,
dass es sich bei der malvenfarbigen
Substanz um ein Pyrrol handelte.
Diese Substanz wurde weiter
untersucht und sie wurde dann
aber
unterschiedlich bezeichnet.
Einmal als Kryptopyrrol, dann
als Hydroxyhemopyrrolin-
2-one. In Europa, vorwiegend
in den Niederlanden
auch als Hämopyrrolaktam.
Möglicherweise unterscheiden
sie
sich chemisch, aber die Patienten
hatten alle die gleichen Symptome.
Es ist nicht möglich,
einen Unterschied bei diesen
Patienten
bezüglich ihrer Symptome
zu finden.
Diese unterschiedlichen Bezeichnungen
sind also ohne praktischen
Wert, denn die Therapie ist
nämlich immer die gleiche.
Um dieser Verwirrung aus dem
Weg zu gehen, sollte heute
der Begriff
Pyrrol bzw. Pyrrolurie
oder Pyrrolstörung
benutzt werden.
Carl C. Pfeiffer übernahm
dann die weitere Forschung
von Abram
Hoffer. Er war zu diesem Zeitpunkt
ein prominenter amerikanischer
Arzt. Er führte die Mineralstofftherapie
weiter. Dabei gab es allerdings
immer wieder Schwierigkeiten
mit der Universitäts-Medizin,
die zwar selbst oft an ihre
Grenzen stieß und den
Menschen zum
damaligen Zeitpunkt oft keine
wirklich wirksame Therapie
anbieten
konnte. Pfeiffer beschloss
dann, die Schulmedizin zu
verlassen und
gründete sein eigenes
Forschungszentrum. Es war
das Princeton
Brain Bio Center in Skillian,
New Jersey.
Dort beschäftigte er
sich mit einer ungeheuren
Anzahl von Patienten.
Es waren über 20.000
Patienten. Er legte eine der
größten Datenbanken
der Welt an. Seine größte
Leistung bestand darin, dass
er psychische Erkrankungen
in individuelle biochemische
Typen
unterteilte. Dabei untersuchte
er das Blut und den Urin dieser
Patienten.
Pfeiffer verknüpfte für
jeden Typ die entsprechenden
Laborparameter
mit den vorherrschenden Symptomen
der Patienten. Er konnte
so drei große Personen-Gruppen
bilden. Dabei stand bei ihm
das
Histamin im Vordergrund:
1. Histapenie (Histamin-Mangel)
2. Histadelie (Histamin-Überschuss)
3. Pyrrolurie (Pyrrole im
Urin)
Pfeiffer nahm an, dass der
Histamin-Spiegel für
die Krankheitserscheinungen
verantwortlich war. Wie kam
er dazu? Was waren
seine Beweggründe?
Histamin ist ein Neurotransmitter.
Wenn es zu Störungen
im Histamin-
Stoffwechsel kommt, dann können
gesundheitliche Probleme
auftreten. So war seine Überzeugung.
Etwa 20% seiner Patienten
litten an Pyrrolurie.
Carl C. Pfeiffer definiert
die Pyrrolurie zunächst
über die Symptome
der Patienten. Ihn interessierte
der Entstehungsort der Pyrrole
zunächst
nicht. Erst später wurden
darüber weitere Forschungsergebnisse
veröffentlicht.
Pyrrole entstehen bei der
Bildung von Häm. Häm
sind große Moleküle,
die aus 4 Porphyrin-Molekülen
bestehen, die ringförmig
angeordnet
sind. Genau in der Mitte befindet
sich ein sogenanntes Zentralatom.
Beim Hämoglobin ist es
Eisen, beim Chlorophyll Magnesium.
Hämoglobin ist das bekannteste
Häm. Es ist der rote
Blutfarbstoff,
der den Sauerstoff im Blut
transportiert und dem Blut
dann
auch die rote Farbe gibt.
Aber auch die Cytochrome sind
Häme. Sie
sind wichtig zur Entgiftung
des Körpers.
Die 4 Porphyrie-Moleküle
im Häm heißen Porphobilinogen.
Sie werden
zuerst separat aufgebaut und
dann alle nacheinander zusammengesetzt.
Entscheidend ist, dass sie
dann auch genau zusammenpassen.
Leider passieren dabei Fehler
und dabei entsteht ein
spiegelbildliches Molekül.
Das passt dann aber so nicht
mehr in den
Ring. Der Ring kann also nicht
mehr geschlossen werden.
Es ist dann aber für
den Körper einfacher,
das falsche Molekül einfach
zu entfernen und ein neues
zu nehmen, als es vor Ort
zu reparieren.
Das falsche Molekül wird
also entsorgt und mit dem
Urin
einfach wieder ausgeschieden.
Dieses falsche Molekül
ist das Pyrrol.
Die ganze Sache wäre
eigentlich damit abgeschlossen,
wenn
nicht dabei ein Kollateralschaden
entstehen würde. Auf
dem Weg
zur Niere binden sich Zink-
und dann auch aktivierte Vitamin
B6-
Moleküle an das Pyrrol
und werden dann ebenfalls
mit dem Pyrrol
zusammen über die Niere
ausgeschieden. Dadurch entsteht
ein
Mangel an Zink und Vitamin
B6, der durch die Nahrung
nicht mehr
ausgeglichen werden kann.
Dadurch entstehen also die
Defizite.
Wie häufig ist diese
Stoffwechselstörung Pyrrolurie?
Es wird geschätzt, dass
etwa 10% der Bevölkerung
dieses Stoffwechselproblem
hat. Aber nur wenige haben
dabei auch Krankheitserscheinungen.
Diese Menschen fühlen
sich zunächst nämlich
völlig gesund. Es müssen
also noch andere Faktoren
hinzukommen,
damit überhaupt ein Problem
entsteht. Früher wurde
beobachtet, dass das weibliche
Geschlecht häufiger betroffen
war,
in der Zwischenzeit ist das
Geschlechtsverhältnis
aber eher ausgeglichen.
Carl C. Pfeiffer hatte sich
hauptsächlich mit psychisch
kranken
Menschen beschäftigt.
Die körperliche Symptomatik
stand also zunächst
ganz im Hintergrund. Möglicherweise
hat sich diese Tatsache
auch nachteilig für die
Anerkennung dieser Stoffwechselstörung
ausgewirkt.
Die Ausscheidung des Pyrrols
unterliegt Tagesschwankungen.
Der
erste Urin, also der Nachturin,
weist den höchsten Gehalt
an Pyrrol
auf. Das ist gut nachvollziehbar,
weil ja in der Nacht im Wesentlichen
die Regenerations- und Aufbauvorgänge
stattfinden. Wenn
viel gearbeitet
wird, dann passieren auch
die meisten Fehler
und
somit entsteht dann auch in
der Nacht das meiste Pyrrol,
das in
dieser Zeit dann ausgeschieden
wird.
Die Bildung des Häms
erfolgt in den Mitochondrien.
Mitochondrien
sind Bestandteile der Zellen,
die hauptsächlich als
Energielieferanten
bekannt sind. Sie liefern
das Energiemolekül ATP,
das ist Adenosintriphosphat,
das die Zelle benötigt,
um überhaupt zu funktionieren.
Aber die Mitochondrien sind
auch richtige chemische Fabriken.
Sie liefern zahlreiche wichtige
Bausteine für die unterschiedlichsten
Stoffwechselprozesse. Deswegen
wird die Pyrrolurie auch
als Störung der Mitochondrien
angesehen und auch als Mitochondropathie
bezeichnet. Wenn die Mitochondrien
auch Probleme haben
andere wichtige Stoffe in
ausreichendem Maße zu
produzieren,
dann kommt es zu Überlagerungen
der Symptomatik. Das Besondere
ist, dass Mitochondrien ihre
eigenen Gene haben, die ringförmig
angeordnet sind und ausschließlich
von der Mutter des Individuums
stammen. Eine Reparatur durch
väterliche Gene ist deshalb
hier nicht mehr möglich.
Wichtig für das Verständnis
ist, dass jeder Mensch Pyrrole
ausscheidet.
Der Messwert liegt nie bei
null. Es ist also die Menge
an
Pyrrolen, die zu Problemen
führt. Denn dadurch entsteht
ja erst der
Mangel an Zink und Vitamin
B6. Geringe Mengen lassen
sich noch
kompensieren, größere
nicht. Dadurch entstehen noch
keine Defizite.
Immer wieder wurde darauf
hingewiesen, dass starke Umweltbelastungen
die Pyrrolstörung verstärken
kann. William J. Walsh
spricht in diesem Zusammenhang
von oxidativem Stress. Er
konnte
bei vielen seiner Patienten
erhebliche Umweltbelastungen
feststellen
mit erhöhten Werten für
freie Radikale. Das Glutathion
war vermindert,
das eigentlich dafür
da ist, diese Probleme zu
lösen.
Carl C. Pfeiffer sieht in
der Pyrrolurie die Ursache,
warum Menschen
zurückgezogen und alleine
leben. Diese Menschen sind
dabei
aber oft kreativ und originell.
Gleichzeitig fürchten
sie jede Belastung
von außen, die das Gleichgewicht
von künstlerischem
Schaffen und Belastungen stören
könnte. Jede Veränderung
in der
Routine des Tages oder der
Umgang mit Menschen außerhalb
der
Familie stellt somit für
sie eine unnötige Belastung
dar, die sich
dann auch in körperlichen
Symptomen äußern
kann. Am Beispiel
von Charles Darwin und Emilie
Dickinson, einer Dichterin,
zeigte er
damals diese Entwicklungen
auf.
Die Pyrrolurie führt
also langfristig zu folgenden
Defiziten:
Zinkmangel
Vitamin B6-Mangel
Mangan-Mangel
Unsere normale Ernährung
kann nämlich diese Defizite
nicht mehr
ausgleichen.
Ich möchte an dieser
Stelle etwas genauer auf die
Pyrrol-Störung
eingehen. Sicherlich mag der
eine oder andere dieses
Stoffwechselproblem für
ganz unwichtig erachten. Vielleicht
zu sehr
konstruiert. Auch das RKI
(Robert-Koch-Institut) hat
sich ja in dieser
Richtung geäußert.
Auch das Arznei-Telegramm
war ähnlicher
Meinung. Aber es lässt
sich doch die weitere Entwicklung
viel besser
verstehen, wenn wir uns mit
der Pyrrol-Störung befassen.
Hier
kommt die Zusammenstellung
der Problematik.
Was also sind nun die Symptome
der Pyrrol-Störung? Worauf
müssen
wir achten? Was ist wichtig?
Ich will die Symptomatik in
körperliche
und psychische Symptome unterteilen.
A. Die körperlichen
Symptome
Es gibt Patienten, denen sieht
man die Pyrrolurie bereits
von außen
an. Ja, wirklich, es ist so!
Es sind dann überwiegend
Kinder und
Jugendliche mit einem sehr
hellen Gesicht. Sie haben
eine weiße
Haut, wie Porzellan, manchmal
mit einem leichten gelblichen
Schimmer. Dieses weiße
Gesicht fällt dann besonders
auf, wenn im
Sommer die Oberarme leicht
gebräunt sind. Das Gesicht
wird dagegen
im Sommer nicht richtig braun,
es bleibt immer hell. Bei
den
Erwachsenen ist dann das helle
Gesicht nicht mehr so auffällig.
Diese Menschen haben tatsächlich
eine geringere Pigmentierung
der Haut. Als nächstes
fallen dann die Augen auf.
Sie liegen tief und
haben oft dunkle Schatten.
Es sind tatsächlich Augenringe.
Das Gesicht
wirkt etwas angeschwollen.
Diese Menschen wirken müde
und unausgeschlafen. Die Augen
flackern etwas. Der Blick
des Untersuchers
fällt dann auf die Zähne.
Sie sind schlecht. Sie sind
nämlich
kariös. Ein Termin beim
Zahnarzt wurde bereits vereinbart.
Die
Schneidezähne liegen
eng zusammen. Irgendwie hat
man das Gefühl,
als ob in diesem Kiefer zu
wenig Platz für die Zähne
bereitstünde.
Die Lippen sind blass und
auch die Bindehäute der
Augen
sind ziemlich hell.
Schaut man weiter auf die
Haut am Bauch oder am Gesäß,
dann
ist man überrascht. Diese
Menschen sind ja noch jung.
Es gibt da
plötzlich Bindegewebsstreifen,
wie nach einer Schwangerschaft
am
Gesäß und an den
Oberschenkeln. Bei den Mädchen
auch an den
Brüsten. Ein Blick auf
die Fingernägel. Dort
gibt es weiße Flecken.
Es fehlt das Zink. Häufiger
als bei der normalen Bevölkerung
finden
sich Haarausfall, Akne, Ekzeme
und Schuppenflechte. Die Haare
werden schon frühzeitig
grau. Allgemein ist die Haut
sehr trocken.
Die Fettverteilung fällt
auf. Das meiste ist in die
Mitte des Körpers
verlagert. Das wirkt irgendwie
unförmig. Wie bei einer
Birne!
Der Bewegungsapparat erfordert
dann unsere ganze Aufmerksamkeit.
Die Gelenke sind ganz allgemein
überbeweglich. Man nennt
das Hypermobilität. Es
sind Arme, Hände und
Finger. Eine Besonderheit
ist, dass der Daumen so weit
überstreckt werden kann,
dass
er bis zur Innenseite des
Unterarmes reicht. Diese Hypermobilität
geht aber im Laufe des Lebens
dann wieder verloren. Dann
tritt
eher eine zunehmende Steifigkeit
der Gelenke ein. Besonders
im
Knie und Hüftbereich.
Die Muskulatur ist allgemein
ziemlich
schwach. Das betrifft besonders
den Arm- und Schulterbereich.
Dagegen
sind die Beinmuskeln viel
besser entwickelt. Beim Sport
gelingt
wenig. Das Hochziehen an einem
Seil ist völlig unmöglich.
Übungen am Reck wie ein
Felgaufschwung gehen auch
nicht. Das
versteht der Turnlehrer natürlich
nicht. Er weiß nichts
über dieses
Krankheitsbild. Es ist keine
Faulheit. Der Unterricht muss
aber zügig
weitergehen.
Die Patienten klagen oft über
Verdauungsbeschwerden. Nach
dem
Essen ist der Bauch oft stark
gebläht. Dann treten
auch Schmerzen
auf. Durchfall und Verstopfung
können im Wechsel auftreten,
also
eine klassische Reizdarmsymptomatik.
Ganz im Vordergrund steht
die morgendliche Übelkeit.
Sie ist so sehr charakteristisch,
weil
viele Menschen mit Pyrrolurie
darüber berichten. Die
Ursache ist
unklar. Es sind aber typische
Dyspepsie-Beschwerden. Die
Dehnung
des Magens führt zu diesen
Beschwerden. Schon das Trinken
von Wasser löst diese
Beschwerden aus. Häufig
kommt auch eine
Störung der Fruchtzuckeraufnahme
hinzu. Das Transportsystem
für
die Aufnahme des Fruchtzuckers
arbeitet zu langsam. Es kann
deshalb
nur ein Teil des Fruchtzuckers
aufgenommen werden. Der
Rest wird dann nach dem Weitertransport
in den Dickdarm dort von
den Darmbakterien verstoffwechselt.
Dabei entstehen Gase wie
Wasserstoff, Methan und verschiedene
Alkohole, die von der Leber
wieder entgiftet werden müssen.
Gerne werden scharf gewürzte
und salzige Speisen gegessen.
Manchmal ist in der Ausatemluft
ein
süßlicher Geruch
wahrnehmbar. Er bleibt auch
noch längere Zeit
nach dem Lüften im Zimmer
bestehen. Es ist Aceton und
zeigt damit
eine verminderte Verfügbarkeit
von Kohlehydraten an. Es wird
also vermehrt Fett zur Energiegewinnung
herangezogen wie bei
der ketogenen Diät.
Viele Frauen mit Pyrrolurie
klagen über Menstruationsbeschwerden.
Als Ursache wird ein zu niedriger
Progesteronspiegel angenommen.
Das bedeutet, dass es viele
Zyklen ohne Eisprung gibt.
Dies kann auch zu Schwangerschaftsproblemen
führen, so dass
Progesteron zugeführt
werden muss. Oder eine Schwangerschaft
muss künstlich herbeigeführt
werden. Die Pubertät
tritt oft verspätet
ein.
Auffällig ist eine Störung
des Immunsystems. Es treten
gehäuft Infekte
im Nasen-Rachen-Bereich auf.
Mittelohrentzündungen
und
Nasennebenhöhlen-Entzündungen
sind vermehrt. Das weibliche
Geschlecht klagt besonders
über häufige Blasenentzündungen.
Eine praktische Bedeutung
hat die Medikamenten-Unverträglichkeit.
Die Entgiftung ist durch die
Störung im Häm vermindert
und
somit auch der Medikamentenabbau
verlangsamt. Die eingenommenen
Medikamente wirken somit stärker
und länger. Ein typisches
Beispiel sind Narkosen. Es
dauert länger, bis der
Patient nach einer
Narkose wieder wach wird.
Oft bestehen noch für
einige Zeit Übelkeit
und Kreislaufbeschwerden.
Der Narkose-Arzt muss deshalb
darüber informiert werden.
Die Narkose-Medikamente müssen
deshalb
reduziert werden.
Zu beachten ist auch, dass
gehäuft Schilddrüsenerkrankungen
auftreten.
Vor allem eine Schilddrüsenunterfunktion
ist zu beachten.
Gleichzeitig treten dann auch
Schilddrüsenantikörper
auf, die typisch
für eine Hashimoto-Thyreoiditis
sind.
B. Die psychischen Symptome
Für Carl C. Pfeiffer
standen die psychischen Symptome
der Pyrrolurie
ganz im Vordergrund. Diese
wollte er ja auch behandeln.
Er
fand bei seinen Patienten
extreme Stimmungsschwankungen
mit
sehr schlechter Impulskontrolle.
Am auffälligsten war
die Störung
des Kurzzeitgedächtnisses.
Die Patienten konnten sich
nur wenig
merken und vergaßen
dann vieles sofort wieder.
Das führte auch
dazu, dass sich die Patienten
nicht mehr an ihre Träume
erinnern
konnten. Carl C. Pfeiffer
hatte dieses Symptom besonders
benutzt,
um die Therapie zu steuern.
Er erhöhte die Dosis
an Vitamin B6,
bis die Traumerinnerung wieder
zurückkam.
Dies ist einer der Gründe
für die Lernschwierigkeiten.
Die fehlende
Merkfähigkeit verschlechtert
die schulischen Leistungen
sehr. Ständig
ist der Schüler im Unterricht
abgelenkt und kann dann dem
Unterricht
nicht mehr folgen. Ängste
und Panikstörungen sind
verstärkt,
es kommt zu depressiven Verstimmungen
und auch Wahnvorstellungen
können vorkommen.
Die Neurotransmitter Serotonin
und Dopamin sind vermindert.
Darüber
wird später noch ausführlicher
berichtet werden.
Menschen mit Pyrrolurie sind
originell und kreativ. Sie
beschäftigen
sich oft mit dem Sinn des
Lebens. Später fürchten
sie, ihre
Kreativität zu verlieren
und vermeiden deshalb Stress-Situationen.
Mutter-Kind-Beziehungen oder
Schwestern-Schwestern-Beziehungen
sind sehr eng und es wird
alles unternommen, um diese
engen
Beziehungen das ganze Leben
lang aufrechtzuerhalten. Junge
Frauen sind übermütig
und impulsiv. Im Alter herrschen
dann aber
Müdigkeit und Depression
vor.
Menschen mit Pyrrolurie haben
auch ein besonderes Farbgefühl.
Farbschattierungen können
sie sehr gut unterscheiden.
Das
Farbgedächtnis ist sehr
gut entwickelt. Sie sind oft
auch gute Zeichner.
Auch Gerüche und Düfte
werden gut differenziert.
Das ist erstaunlich,
da ja der Zinkmangel das Riechen
eher beeinträchtigt.
Gerüche erlangen bei
ihnen oft sogar eine starke
Bedeutung.
Menschen mit Pyrrolurie fühlen
sich ständig bedrängt.
Im Restaurant
und auch beim Autofahren.
Immer kommen ihnen die Leute
zu
nahe. Das hat auch Auswirkungen
auf Beziehungen. Sie tun sich
schwer mit Nähe.
Menschen mit Pyrrolurie können
anstrengend sein. Schon im
Gespräch.
Das schlechte Kurzzeitgedächtnis
führt dazu, dass sie
ständig
unterbrechen. Sie fürchten
immer, dass sie ihren Gedanken
wieder verlieren. Dinge, die
bereits besprochen wurden,
werden immer
wieder nachgefragt. Auch das
ist anstrengend.
Sie sind licht- und geräuschempfindlich.
Stress können sie gar
nicht
vertragen. Manchmal stört
ihr theatralisches Verhalten.
Aber, dann
sehen wir ihre Kunstwerke
und freuen uns dann doch wieder
mit
ihnen.
Pfeiffer war es sehr wichtig,
den Histamin-Spiegel seiner
Patienten
zu normalisieren. Irgendwann
kamen ihm dann doch Zweifel,
ob
seine Theorie richtig war.
Aber er erlebte dann die späteren
Erkenntnisse
nicht mehr. Ab 1990 gab es
jedoch immer mehr Hinweise,
dass nicht nur das Histamin,
sondern der Methyl- und der
Folat-Spiegel wichtiger waren
als das Histamin selbst. Das
Histamin trat immer mehr in
den Hintergrund. Der Histamin-Spiegel
wurde als Marker für
den Methylierungs-Grad immer
stärker herangezogen.
Das war natürlich ganz
neu. Darüber war bisher
noch
nichts bekannt.
Es scheint so, dass Carl C.
Pfeiffer zwar eine effektive
Nährstofftherapie
entwickelt hatte, aber einer
falschen Theorie für
ihre Wirksamkeit
folgte. Heute wird das Histamin
als Marker für die Methylierung
und nicht mehr zur Beurteilung
des psychischen Status benutzt.
Leider hat die Universitäts-Medizin
bisher die Erkenntnisse von
Carl
C. Pfeiffer nicht akzeptiert,
da entsprechende Studien fehlen.
Nach
seinem Tod musste das Princeton
Brain Bio Center dann auch
schließen.
Danach trat sein ehemaliger
Schüler William J. Walsh
in den Vordergrund
und gründete das Pfeiffer
Treatment Center in Illinois.
Auch dort wurden sehr viele
Menschen behandelt. In der
Zwischenzeit
ist leider auch dieses Behandlungszentrum
geschlossen worden,
weil Forschungsgelder ausblieben.
Aus Histapenie wurde Übermethylierung
(oder Hypermethylierung)
und aus Histadelie wurde Untermethylierung
(oder Hypomethylierung).
Heute gilt es als sicher,
dass die Neurotransmitter
Serotonin, Dopamin
und Noradrenalin auch stark
vom Methylierung-Status beeinflusst
werden. Aber was bedeutet
das?
Die Aktivität dieser
Neurotransmitter wird durch
die Transporter bestimmt,
welche die Wiederaufnahme
der Neurotransmitter regulieren.
Die genetische Expression
von Transportern wird durch
Methylierung
gehemmt und durch Acetylierung
gefördert. Dadurch
wird die Konzentration der
Neurotransmitter im synaptischen
Spalt
reguliert. Die Methyl- und
Acetylmengen, die an die DNS
und an die
Histone anheften, beeinflussen
die synaptische Konzentration
von
Wiederaufnahmeproteine und
damit die Aktivität von
Serotonin, Dopamin
und Noradrenalin. Beide Richtungen
stehen also in Konkurrenz
zu einander.
Verlaufsstudien über
viele Jahre hinweg haben ergeben,
dass die
biochemische Grundeinstellung
das ganze Leben lang bestehen
bleibt. Dies deutet darauf
hin, dass sie genetischen
oder epigenetischen
Ursprungs sind. Oft beginnen
die Anzeichen eines Ungleichgewichts
schon ab dem zweiten Lebensjahr.
Der Einfluss auf das
gesamte Leben eines Menschen
hängt von der Schwere
der biochemischen
Unausgewogenheit ab und davon,
welchen Umweltfaktoren
diese Person ausgesetzt ist.
Defizite können dann
ausgeglichen werden, wenn
die Ernährung
gut ist, Traumatisierungen
fehlen und wenn der Betroffene
in einer
fürsorglichen Familie
lebt.
Wichtiges für die
hausärztliche Praxis:
Für das Verständnis
der Epigenetik ist die medizingeschichtliche
Entwicklung hilfreich. Mit
der Pyrrolurie gelang Carl
C. Pfeiffer der
Einstieg in die Mikronährstoff-Therapie.
Danach entdeckte er die
Bedeutung des Histamins, ohne
zu wissen, dass letztendlich
der
vom Histamin abhängige
Methylierungs-Grad entscheidend
ist.
Diese Erkenntnis gelang dann
aber seinem Schüler William
J.
Walsh. Der Methylierungs-Grad
beeinflusst nämlich direkt
das Epigenom.
2. Epigenetik
© Stephanie Hofschlaeger_pixelio.de
Epigenetik? Was ist das?
Mit dem Begriff Genetik können
wir schon eher etwas anfangen.
Genetik ist die Wissenschaft
von der Vererbung. Alles begann
mit
dem Mönch Gregor Mendel
im 19. Jahrhundert. Durch
Kreuzungsversuche
an Erbsen konnte er zeigen,
dass bestimmte Merkmale
an die Nachkommen weitergeben
werden.
Die genetische Information
ist in der DNA gespeichert.
DNA ist die
Abkürzung von Desoxyribonukleinsäure.
Das A steht für Acid,
dem englischen Wort für
Säure.
Die DNA wurde ebenfalls bereits
im 19.Jahrhundert entdeckt.
Es
war der Schweizer Arzt Johann
Miescher, der durch Untersuchungen
des Zellkerns die DNA entdeckte.
Wie sie aber genau aussah,
konnte erst 1953 durch Watson
und Crick herausgefunden werden.
Die DNA ist eine Aneinanderreihung
von ausschließlich 4
verschiedenen
basischen Molekülen.
Sie heißen Adenin (A),
Cytosin (C),
Guanin (G) und Thymin (T).
Dabei gibt es zwei komplementäre
Stränge. Diese Stränge
sind schraubenförmig
gewunden. Immer
stehen sich die gleichen Basen
gegenüber. A und T, sowie
C und
G. Wenn die Abfolge der Basen
in einem Strang bekannt ist,
dann
kann die des anderen Stranges
vorhergesagt werden. So ist
es
möglich, die DNA schnell
zu vervielfältigen. Auch
ein fehlerhafter
Strang kann auf diese Weise
problemlos repariert werden.
Das Cytosin hat eine besondere
Funktion: Es kann nämlich
methyliert
werden. Darüber wird
später noch ausführlicher
gesprochen.
Sind bestimmte DNA-Sequenzen
eines Gens methyliert, dann
ist
dieses Gen inaktiv, denn es
kann jetzt nicht mehr abgelesen
werden.
An der Base gibt es auch noch
ein Zuckermolekül. Es
ist Desoxyribose.
Daran hängt noch das
Phosphat.
Die beiden DNA-Stränge
werden über Wasserstoffbrücken
zusammengehalten,
die jeweils von den beiden
Basen gebildet werden,
die sich gegenüberstehen.
Da es sich immer um die gleichen
Basen
handelt, ergibt sich so eine
komplementäre Sequenz
des Gegenstranges.
Der genetische Kode wird also
durch die Abfolge der vier
Basen
gebildet, aus denen die DNA
aufgebaut ist. Dieser Kode
enthält dabei
Abschnitte, die wir Gene nennen.
Von diesen Genen werden
Informationen zur Bildung
bestimmter Proteine (Eiweiße)
gewonnen.
Die DNA besteht aber nicht
nur aus aneinandergereihten
Gensequenzen.
Zwischen den Genen gibt es
auch Abschnitte, die für
die
Proteinbildung nicht genutzt
werden. Sie sind also abgeschaltet.
Jetzt kommt die Epigenetik
ins Spiel.
Die Epigenetik ist ein jüngerer
Bereich innerhalb der Genetik.
Die
Epigenetik untersucht, wie
die Aktivität unserer
Gene gesteuert
wird. Die Veränderung
der Aktivität eines Genes
beruht dabei nicht
auf einer Veränderung
in der DNA-Sequenz, sondern
auf Mechanismen
an den Genen selbst, die auf
sie einwirken. Diese Mechanismen
steuern, wie die DNA-Sequenz
abgelesen und in die entsprechenden
Proteine umgesetzt werden.
Es gibt also noch zusätzliche
Informationen neben der DNA-Sequenz.
Diese Informationen
spielen eine entscheidende
Rolle bei der Entwicklung
von Zellen.
Aber auch der individuelle
Lebensstil und Umweltfaktoren
können
über epigenetische Mechanismen
Einfluss auf die Ausprägung
der
Erbinformationen nehmen. Die
im Verlauf des Lebens erworbenen
epigenetischen Informationen
können später dann
an die Nachkommen
weitergegeben werden.
Mutationen sind Fehler in
der DNA-Sequenz. Das kann
passieren,
wenn bei der Verdopplung der
DNA eine falsche Base eingebaut
wird. Das geschieht durchschnittlich
nach 100.000 Basen, die kopiert
werden. Das macht bei 6 Milliarden
Basen im menschlichen
Genom etwa 120.000 Fehler
pro Zellteilung aus. Deshalb
gibt es
auch einen Kontrollmechanismus.
Dabei werden etwa 99% der
Fehler dann wieder korrigiert.
Mutationen können jedoch
nicht nur während der
Zellteilung entstehen,
auch Chemikalien und Strahlung
können die Basen der
DNA
verändern.
Durch falsch eingebaute Basen
entstehen dann auch Verformungen
des DNA-Stranges. Bestimmte
Enzyme sind aber in der Lage
diese zu erkennen und wieder
zu reparieren. Es kann aber
auch
passieren, dass eine Reparatur
ausbleibt und dann an die
nächste
Generation weitergegeben wird.
Ob dadurch dann ein Schaden
oder ein Vorteil
eintritt, kann zunächst
nicht eingeschätzt werden.
Es gibt aber auch noch andere
Veränderungen. Es können
zusätzliche
Basen eingebaut werden oder
Basen können ganz verlorengehen.
Noch vor 20 Jahren hatte man
angenommen, dass viele Krankheiten
erklärt werden könnten,
wenn die Sequenz der Basen
vollständig
bekannt wäre. Damals
wurde vermutet, dass Krankheiten
allein
durch Mutationen der DNA entstehen
würden. Die Folge war
das
Humangenomprojekt (1990) mit
dem Ziel, das komplette menschliche
Genom zu entschlüsseln.
Das gelang dann auch bis 2003.
Das Ergebnis war aber trotzdem
enttäuschend, denn es
gab nämlich
weiterhin viele Rätsel.
Überraschend war, dass
überhaupt nur
3% des Genoms in Proteine
übersetzt werden und
97% zunächst
nutzlos erschienen. Auch war
die Anzahl der Gene eines
Menschen
erstaunlich gering, nämlich
nur 25.000. Es gibt sehr viel
einfachere
Lebewesen als der Mensch,
die mehr Gene als der Mensch
haben.
Die Komplexität eines
Organismus hängt also
nicht von der Anzahl
seiner Gene ab, sondern davon,
wie diese Gene gesteuert werden.
Die Hardware braucht also
eine gute Software. Aber das
wussten
wir ja eigentlich schon immer!
Hier kommt ein weiterer Begriff:
Genexpression.
Damit wird beschrieben,
wie aktiv ein Gen ist. Das
Ergebnis ist die Bildung von
Proteinen (Eiweiße),
denn sie beeinflussen dann
alle Prozesse im
Organismus. Proteine gibt
es mehr als Gene.
Jetzt kommt die Epigenetik
ins Spiel, denn sie ist entscheidend
für
eine Reihe von Prozessen.
Eine der häufigsten epigenetischen
Veränderungen
an der DNA sind sogenannte
Methylgruppen. Sie binden
an einer bestimmten Base,
nämlich am Cytosin. Dieser
Vorgang soll später noch
ausführlicher erörtert
werden, denn er ist
die Grundlage für ein
neues Therapiekonzept.
Es ist doch erstaunlich. Durch
solche kleinen chemischen
Veränderungen
kann unser Organismus sich
an eine veränderte Umwelt
oder neue Lebensbedingungen
anpassen. Und wir können
sie später
dann an unsere Nachkommen
weitergeben. Es gibt aber
auch
Risiken. Umweltgifte, aber
auch psychische Belastungen
und
Stress sind ebenso wirksam.
Im Prinzip ist alles reversibel.
Je nachdem welchen Lebensstil
der
Einzelne einschlägt.
Wo er lebt. Wie er sich ernährt.
Ob er Sport
treibt oder viel Stress hat.
Alles verändert unser
Genom.
Die Epigenetik hat ihren eigentlichen
Ursprung in der Theorie des
französischen Biologen
Jean-Baptiste de Lamarck,
der im 18. Jahrhundert
die Theorie aufgestellt hatte,
dass Organismen in der Lage
sind, bestimmte Eigenschaften,
die sie während ihres
Lebens erworben
haben, an ihre Nachkommen
weitervererben können.
Dadurch passen sie sich noch
besser an ihre Umwelt an und
beeinflussen
damit auch die Evolution.
Lamarck war ein Vorgänger
von Charles Darwin. Er ging
allerdings
noch davon aus, dass zufällige
Veränderungen im Erbgut
die Evolution
vorantreiben. Damit schien
damals de Lamarck widerlegt.
Aber seit der Entdeckung der
Epigenetik wird die Theorie
von de
Lamarck wieder aktuell. Nach
heutigem Kenntnisstand scheint
es
so, als würde Lamarcks
Theorie die von Darwin ergänzen.
Wichtiges für die
hausärztliche Praxis
Epigenetik zeigt uns, dass
Gene an- und abgeschaltet
werden können.
Dadurch gelingt es dem Organismus,
sich an bestimmte Lebensbedingungen
besser anzupassen. Das hat
viele Vorteile. Epigenetischen
Veränderungen können
auch auf die nächsten
Generationen
übertragen werden.
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