1. Einführung
Immer mehr Menschen leiden
in den westlichen Industrie-Ländern
an einer Einschränkung
ihrer körperlichen und
psychischen Belastbarkeit.
Sie leiden an Symptomen, für
die es in der universitären
Medizin keine eindeutige Erklärung
gibt. Diese Beschwerden liegen
vorwiegend auf internistischem,
neurologischem und psychiatrischem
Fachgebiet. Bisher konnte
noch keine schlüssige
Erklärung für all
diese Beschwerden gefunden
werden. Dabei hatte sich die
medizinische Forschung in
den letzten Jahren doch rasant
immer weiterentwickelt. Aber
immer noch fehlt ein Erklärungsansatz
für die Ursachen all
dieser mysteriösen Erkrankungen.
Das Warten geht also weiter.
Wir müssen uns also damit
abfinden, auch wenn es den
Betroffenen sehr schwerfällt.
Sie möchten nämlich,
dass möglichst bald eine
Behandlungsmöglichkeit
gefunden wird.
Was könnte die Ursache
dieser beschriebenen Einschränkungen
sein? Gibt es vielleicht doch
eine Erklärung? Wurde
wirklich alles berücksichtigt?
In den letzten Jahren ist
der Blick zunehmend auf das
Epstein-Barr- Virus gefallen.
Dieses Virus lebt ja nach
der Infektion, die meist in
der Jugend oder im jungen
Erwachsenenalter stattfindet,
lebenslang in unserem Körper.
Wir alle tragen das Virus
also in uns. Wir haben uns
also bereits in jungen Jahren
damit angesteckt. Die Bezeichnungen
Kissing Disease
oder Student`s Disease
geben uns dafür Hinweise,
wann das wahrscheinlich geschah.
Soll wirklich das Epstein-Barr-Virus
schuld an all den körperlichen
und psychischen Einschränkungen
sein?
All die vielen Blutuntersuchungen
haben immer wieder gezeigt,
dass sich unser Körper
bereits mit dem Virus auseinandergesetzt
hat. Abgelaufene Infektion
mit EBV stand dann immer
auf dem Befund, den das Labor
zurückgeschickt hatte.
Wir hatten uns damit abgefunden
und keine weiteren Untersuchungen
veranlasst.
Das Virus wird leicht übertragen.
Wir haben praktisch kaum eine
Möglichkeit uns dagegen
zu schützen. Es gibt
leider auch immer noch keine
Impfung gegen das Epstein-Barr-Virus.
Wir Menschen reagieren in
unterschiedlicher Weise auf
dieses Virus. Die einen merken
überhaupt nichts von
der Infektion, die anderen
erholen sich nach der Infektion
ihr ganzes Leben nicht mehr
richtig davon.
Bis heute konnten zahlreiche,
teilweise schwerwiegende Erkrankungen
nachgewiesen werden, die durch
das Epstein-Barr-Virus verursacht
werden. Aber trotzdem wird
die Gefährlichkeit des
Virus immer noch nicht richtig
wahrgenommen.
Eigentlich wird das Virus
streng von unserem Immunsystem
bewacht, das Virus ist quasi
ein Gefangener in unserem
Körper. Aber in bestimmten
Situationen gelingt es dem
Virus dann doch auszubrechen.
Dann wird es von unserem Immunsystem
gejagt, bis es wieder eingefangen
worden ist. Dabei kann sich
aber unser Immunsystem auch
schwertun.
Neu ist, dass wir das Virus,
wenn es ausgebrochen
ist, jetzt messen und auch
genauer beobachten können.
Es ist also die chronische
Epstein-Barr-Virus-Infektion,
die uns krank macht! Diese
Erkenntnis ist ziemlich neu.
Wir wussten zwar, dass wir
alle Virusträger sind,
aber damit haben wir uns bisher
immer zufriedengegeben. Dass
dieses Virus aber ständig
Veränderungen in unserem
Körper vornimmt, das
haben wir bisher nicht richtig
beachtet.
Die Virusausbreitung, den
Virusausbruch, die Reaktivierung
des Virus, diese Möglichkeiten
wurden immer schon vermutet,
aber objektiv nachweisbar
waren sie bisher nicht.
Wann kommt es überhaupt
zu Reaktivierungen dieses
Virus? Sind es wirklich die
Reaktivierungen, die uns krank
machen? Oder ist das Virus
in unserem Körper ständig
aktiv? Wie können wir
uns eigentlich besser davor
schützen? Darüber
soll in diesem Buch die Rede
sein. Wie kann die Aggressivität
dieses Virus vermindert werden?
Gibt es überhaupt eine
Therapie? Das alles sind Themen
dieses Buches.
Die Vorstellung, dass die
chronische Epstein-Barr-Virus-Infektion
auf Dauer krank macht, ist
in der universitären
Medizin bisher noch völlig
unbekannt. Das ist bedauerlich.
Das kann sich aber ganz schnell
ändern, wenn im Rahmen
der Virusforschung ein patentierbares
Medikament gefunden worden
ist, das uns vollständig
von diesem Virus befreien
kann. Auch eine Impfung gegen
das Epstein-Barr-Virus würde
uns entscheidend weiterbringen.
Impfungen gegen andere Herpesviren
gibt es ja bereits. Warum
sollte es nicht eines Tages
auch eine Impfung gegen das
Epstein-Barr-Virus geben?
Doch dafür muss erst
die Bedeutung des Epstein-Barr-Virus
und seine Gefahren richtig
erkannt werden. Dieses Buch
soll mit dazu beitragen. Im
Mittelpunkt steht der Patient.
Er soll in Zukunft besser
in der Lage sein, mit dem
Epstein-Barr-Virus in seinem
Körper zurecht zu kommen.
Das Wichtigste in diesem Kapitel:
Das Epstein-Barr-Virus wird
unterschätzt, denn es
kann uns dauerhaft krank machen!
Bisher haben wir diese Tatsache
zu wenig beachtet.
2. Die Entdeckung des Epstein-Barr-Virus
Das Epstein-Barr-Virus wurde
1964 von dem Pathologen Michael
Anthony Epstein und seiner
Mitarbeiterin, der Zoologin
Yvonne Margret Barr, in London
entdeckt. Außerdem war
Bert Geoffrey Achong, ein
Spezialist für die Elektronenmikroskopie
aus Trinidad, im Team mit
dabei.
Das Epstein-Barr-Virus ist
das Humane Herpes Virus 4
(HHV-4). Das Virus wurde in
Zellkulturen von afrikanischen
Burkitt-Lymphomen gefunden,
darüber wird später
noch ausführlicher berichtet
werden.
Gibt es noch andere Herpes-Viren?
Hier die Liste:
HHV-1 und HHV-2 sind
die allgemein bekannten Herpesviren
im Mund- und im Genitalbereich,
auch Herpes-Simplex genannt.
HHV-3 ist das Windpockenvirus
(genauer Varizellen-Zoster-Virus),
das nach einer Infektion später
im Leben noch eine Gürtelrose
(Herpes Zoster) auslösen
kann.
HHV-5 ist der Erreger
der Zytomegalie (CMV). Bei
Immunschwäche, etwa bei
einer HIV-Infektion, ist es
gefürchtet. Sonst müssen
wir uns bei diesem Virus keine
Gedanken machen.
HHV-6 ist der Erreger
des 3-Tage-Fieber
bei Säuglingen und Kleinkindern.
Ob allerdings auch Erwachsene
damit befallen werden können,
ist immer noch ungeklärt.
Das Virus infiziert bestimmte
weiße Blutkörperchen
und bleibt lebenslang im Körper.
HHV-7 verhält
sich ähnlich wie HHV-6
und bleibt ebenfalls lebenslang
in unserem Körper.
HHV-8 ist das Kaposi-Sarkom-Herpesvirus,
das nur bei AIDS-Patienten
auftritt.
Die Durchseuchungsrate der
Bevölkerung mit den Humanen
Herpes-Viren in Deutschland
(Häufigkeit von Antikörpern
im Blut von Menschen)
Heute sind 130 verschiedene
Herpesviren bekannt, die entweder
bei Säugetieren, Vögeln,
Fischen, Reptilien, Amphibien
oder auch bei Schnecken vorkommen
können. Bei uns Menschen
sind bisher acht verschiedene
Viren bekannt.
Das Epstein-Barr-Virus wurde
in Zellkulturen des Burkitt-Lymphoms
entdeckt. Damit hat alles
angefangen. Das Burkitt-Lymphom
ist eine bösartige Erkrankung
des Lymphsystems und gehört
zur Gruppe der B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen.
Diese Erkrankung ist die häufigste
Tumorerkrankung bei Kindern
im tropischen Afrika. Diese
Kinder sind gleichzeitig mit
dem Epstein-Barr-Virus und
mit Malaria infiziert. Außerdem
liegen bei diesen Kindern
Veränderungen bestimmter
Chromosomen vor. Der Tumor
wächst sehr schnell,
was aber dann wieder ein Vorteil
für die Therapie ist,
denn er spricht sehr gut auf
die medikamentöse Tumor-Therapie
an.
Das Epstein-Barr-Virus ist
ein behülltes doppelsträngiges
DNA-Virus. Die Übertragung
des Virus auf andere Menschen
erfolgt durch Tröpfcheninfektion
oder durch Kontaktinfektion.
Auch eine sexuelle Übertragung
ist möglich.
Die Infektion mit dem Virus
erfolgt oft auch schon im
Kindesalter. Während
bei Säuglingen in der
Regel keine Symptome auftreten,
kommt es bei Jugendlichen
oder Erwachsenen Infizierten
in 3060 % aller Fälle
zum Ausbruch des Pfeifferschen
Drüsenfiebers. Ab dem
40. Lebensjahr sind dann über
95 % der Menschen mit dem
Epstein- Barr-Virus infiziert.
Sowohl nach einer asymptomatischen
(es bestehen keinerlei Symptome)
als auch nach einer symptomatischen
Infektion mit Krankheitserscheinungen
bleibt das Virus lebenslang
in unserem Körper. Es
kann wie alle Herpesviren
dann wieder irgendwann reaktiviert
werden. Für gewöhnlich
wird eine Reaktivierung vom
Patienten selbst zunächst
überhaupt nicht bemerkt
und dann schnell durch unser
Immunsystem auch wieder eingedämmt.
Besteht eine Immunsuppression
(Einschränkung der Funktionstüchtigkeit
des Immunsystems), etwa bei
HIV-Infizierten oder Organempfängern,
kann sich das Virus aber unkontrolliert
vermehren und zur Entstehung
von verschiedenen, heute allerdings
noch seltenen Krebserkrankungen
beitragen.
Inzwischen weiß man
aber auch, dass starke Stressfaktoren,
also körperlicher oder
auch psychischer Stress, ebenfalls
zur Reaktivierung des Epstein-Barr-Virus
beitragen kann.
Wie wurde das Virus eigentlich
entdeckt?
Der Weg, der zur Entdeckung
des Virus führte, ging
über den englischen Chirurgen
Denis Burkitt, der sich im
Mulago Hospital in Kampala,
der Hauptstadt Ugandas, mit
der Verbreitung bestimmter
Krebserkrankungen in Afrika
beschäftigte. Er fand
heraus, dass mehrere Tumorarten,
die dort gehäuft bei
Kindern auftraten, bösartige
Lymphknotenerkrankungen waren.
Burkitt erkannte, dass mehrere
Faktoren im Zusammenhang mit
dem Auftreten der Krankheit
standen. Es waren:
heißes Klima
häufige Regenfälle
reichliche Wasservorkommen.
Es zeigte sich auch eine
Übereinstimmung mit dem
afrikanischen Malariagürtel.
Burkitt behauptete später:
"Die Tatsache, dass
die Verteilung der Krebserkrankung
von klimatischen Faktoren
abhing, legte den starken
Verdacht nahe, dass ein Überträger,
vielleicht ein Insekt, für
ihre Verbreitung verantwortlich
war. Das alles ließ
aber auch vermuten, dass der
Erreger auch ein Virus sein
könnte."
Als Burkitt damals diese
Vermutung äußerte,
kannte man bereits zahlreiche
Viren, die bei Tieren Tumoren
hervorriefen, aber noch kein
einziges menschliches Tumorvirus.
Mit Hilfe der Elektronenmikroskopie
gelangen es dann Epstein und
Barr in einer kleinen Lymphom-Zellpopulation
von Burkitt virale Partikel
nachzuweisen, die aufgrund
ihrer morphologischen Beschaffenheit
den Herpesviren zugeordnet
werden konnten. Die Viruspartikel
waren jedoch kleiner als das
bereits bekannte Herpes-Simplex-Virus
(HSV-1). Somit war zu diesem
Zeitpunkt weder die genaue
Identität des Virus noch
eine mögliche Rolle in
der Pathogenese des Burkitt-
Lymphoms geklärt.
In den Jahren nach der ersten
Beschreibung der viralen Partikel
hatten verschiedene Arbeitsgruppen
das Virus, das später
nach seinen Entdeckern als
Epstein-Barr-Virus (EBV) bezeichnet
wurde, weiter untersucht.
Die Wissenschaftler Werner
und Gertrude Henle, die beide
damals am Kinderkrankenhaus
von Philadelphia arbeiteten,
entwickelten als erste einen
Test, mit dem sich bei Patienten
mit Burkitt-Lymphom Antikörper
im Blut nachweisen ließen,
die jedoch nicht mit gesunden
BZellen, aber mit solchen,
die aus dem Burkitt-Lymphom
stammten, reagierten. Dies
war sozusagen ein Nachweisverfahren
für den noch unbekannten
Erreger in den Zellen des
Burkitt-Lymphoms.
Dann erlebten die Henles
allerdings eine Überraschung.
Nachdem sie zuerst feststellten
mussten, dass die meisten
gesunden Afrikaner ebenfalls
diese Antikörper im Blut
hatten, welche Burkitt-Lymphom-Zellen
erkannten, fanden sie diese
auch bei ihren Labormitarbeitern
und schließlich bei
einem hohen Anteil der Bevölkerung
aus aller Welt, von denen
man nach dem Zufallsprinzip
Proben entnommen hatten. Es
gab also den Erreger des Burkitt-Lymphoms
überall auf der ganzen
Welt. Das führte zu einer
großen Verunsicherung.
Wie so oft in der Geschichte
der Medizin kam dann auch
den Henles der Zufall zu Hilfe.
Was war passiert?
Eine der technischen Assistentinnen
des Labors am Kinderkrankenhaus
in Philadelphia erkrankte
1967 an Pfeifferschem Drüsenfieber,
auch als Infektiöse Mononukleose
bekannt. Sie hatte die typischen
Symptome und die Ärzte
in diesem Krankenhaus stellten
bei ihr auch die richtige
Diagnose.
Als sie nach der Erkrankung
dann wieder zur Arbeit zurückkam
und man ihr routinemäßig
auch wieder eine Blutprobe
entnommen hatte, um sie auf
verschiedene Erreger zu untersuchen,
enthielt bei ihr das Blut
plötzlich in hoher Konzentration
Antikörper gegen die
B-Zellen des Burkitt-Lymphoms,
obwohl der gleiche Test vor
ihrer Erkrankung damals noch
negativ war.
Die B-Zellen der Assistentin
wurden dann in Gewebekulturschalen
gezüchtet. Sie vermehrten
sich unbegrenzt weiter und
enthielten ein Antigen, das
auch mit den Antikörpern
aus Patienten mit Burkitt-
Lymphom reagierte. Dieses
Antigen setzte schließlich
dann auch Viruspartikel frei,
die von dem Virus aus dem
Burkitt-Lymphom nicht zu unterscheiden
waren.
Weitere Untersuchungen von
Blutproben im Rahmen einer
prospektiven Studie zur Infektiösen
Mononukleose 1968 erhärteten
den Verdacht der Henles, dass
das Epstein-Barr-Virus der
Erreger des Pfeifferschen
Drüsenfiebers war.
Eine weitere Beobachtung,
nämlich dass Antikörper
gegen das Epstein-Barr-Virus
sehr lange bzw. lebenslang
nachweisbar blieben, deutete
darauf hin, dass EBV nach
der Erstinfektion eine Persistenz
in den Zellen des hämatopoetischen
Systems etablierte, wie sie
für andere Herpesviren
bereits damals auch schon
bekannt war.
Diese Untersuchungen ergaben
also, dass das Epstein-Barr-Virus
ein neues, menschliches Herpesvirus
sein musste. Das Epstein-Barr-Virus
war wirklich der Erreger des
Pfeifferschen Drüsenfiebers.
EBV ist, wie andere Herpesviren
auch, ein gering umweltresistentes
Virus und es ist deshalb so
gut wie nie frei nachzuweisen.
Außerhalb des menschlichen
Körpers stirbt das Virus
rasch. Die Übertragung
von EBV erfolgt in erster
Linie über den Speichel,
insbesondere beim Küssen
oder engem körperlichen
Kontakt. Eine Übertragung
durch Sex, Blutprodukte oder
Knochenmarkstransplantationen
ist aber auch nicht auszuschließen.
Durch zwei völlig verschiedene
Vermehrungsstrategien gelingt
es dem Virus dann nach dem
Eindringen in den menschlichen
Organismus seine Erbinformation
zu vermehren und dann Nachkommenviren
freizusetzen:
Zunächst dient die Infektion
einer Zelle der Produktion
und Freisetzung von infektiösen
Viruspartikeln. Das Virus
braucht also die menschliche
Zelle, um sich überhaupt
vermehren zu können.
Das Besondere ist aber, dass
durch die latente (ruhende)
Infektion in der Wirtszelle
zunächst ein viraler
Ruhezustand eingerichtet wird,
der sich dadurch der immunologischen
Kontrolle des Wirtsorganismus
weitgehendst entzieht. Das
Immunsystem reagiert also
zunächst gar nicht auf
das Epstein-Barr-Virus, weil
es sich gar nicht bemerkbar
macht. Es hat sich quasi versteckt.
Das Virus tritt nach der Infektion
also sofort in eine Ruhestadium
ein. Das war neu und ungewöhnlich
im Vergleich zu anderen Viren.
Initial infiziert das EBV
die Epithelzellen der Mundschleimhaut
und B-Lymphozyten im Mund
und im Rachen über einen
Rezeptor, der normalerweise
Komplement an sich bindet.
Es ist wahrscheinlich ein
Zufall, dass diese Verbindung
möglich ist. Komplement
spielt bei jeder Entzündungsreaktion
eine Rolle. Seine Funktion
wird später genauer beschrieben.
Auf diese Art und Weise steht
ein permanentes Virusreservoir
zur Verfügung, das nach
geeigneter Reaktivierung in
eine produktive Phase mit
erneuter Virusfreisetzung
zurückkehren kann.
Als Ort der Persistenz von
EBV im menschlichen Körper
werden heute ruhende B-Gedächtnis-Zellen
angesehen. Bis zur Hälfte
dieser B-Zellen im peripheren
Blut sind mit EBV infiziert
und die Zahl dieser latent
infizierten Zellen in einem
Patienten bleibt über
Jahre hinweg ziemlich stabil.
Um der Eliminierung durch
das Immunsystem zu entkommen,
werden während dieser
persistierenden Vermehrungsphase
verschiedene Stoffe freigesetzt,
die die Erkennung virusinfizierter
Zellen durch zytotoxische
T-Lymphozyten verhindern.
Das Immunsystem des Wirts
(also des Menschen) wird dadurch
ständig getäuscht.
Durch Reaktivierung können
während dieser asymptomatischen
Persistenz des Virus in den
ruhenden B-Gedächtniszellen
auch immer wieder B-Zellen
erfolgreich in den lytischen
Zyklus übergehen. Das
bedeutet, dass der Mensch
wieder Viren ausausscheidet,
ohne selbst krank zu sein.
Die Produktion von Nachkommenviren
bleibt dann jedoch auf Zellschichten
und Gewebe beschränkt,
die dem Immunsystem nicht
zugänglich sind. So wird
EBV ständig an einigen
Orten des Körpers, wie
der Ohrspeicheldrüse
oder der Gebärmutterschleimhaut,
produziert, ohne vom Immunsystem
überhaupt erkannt zu
werden.
Wie sieht das Epstein-Barr-Virus
eigentlich aus?
Das Epstein-Barr-Virus zeigt
den klassischen Aufbau der
Herpesviren. Es hat eine kugelige
Gestalt mit einer Hülle.
Auf dieser Hülle sind
stachelförmige Ausstülpungen
zu erkennen, auch Spikes
genannt. Diese haben wichtige
Funktionen beim Kontakt des
Virus mit den menschlichen
Zellen.
Die DNA des Virus liegt unter
der Hülle in einem abgegrenzten
Raum, dem Viruskapsid. Das
Kapsid aller Herpesviren weist
eine geometrische, auch ikosaedrisch
genannte, Struktur auf.
Im Inneren des Kapsids findet
man den Viruskern mit der
Virus- DNA. Es ist wie eine
Schatzkammer. Wie ein Sarkophag
eines Pharaos im Alten Ägypten.
Es werden zwei Subtypen von
EBV unterschieden, EBV-1 (oder
auch Typ A) und EBV-2 (oder
auch Typ B). Sie unterscheiden
sich in der Aminosäuresequenz
ihrer DNA voneinander.
EBV-1 scheint der häufiger
vorkommende Subtyp zu sein.
EBV-2 dagegen scheint einfacher
von der latenten in die lytische
Phase wechseln zu können.
Während EBV-1 in der
westlichen Hemisphäre
und Südostasien dominant
ist, treten in Neu-Guinea
und Äquatorial-Afrika
die Typen 1 und 2 etwa in
der gleichen Häufigkeit
auf.
Das besondere an EBV ist
also, dass es alles unternimmt,
um den menschlichen Körper
zu täuschen. Das menschliche
Immunsystem findet plötzlich
das Virus überhaupt nicht
mehr und kann deshalb wenig
dagegen unternehmen. So überlebt
das Virus lebenslang in unserem
Körper.
Das Wichtigste in diesem Kapitel:
Das Epstein-Barr-Virus wurde
erstmals aus Tumorzellen des
Burkitt- Lymphoms isoliert.
Das Epstein-Barr-Virus bleibt
nach einer Infektion lebenslang
in unserem Körper zurück.
Das Epstein-Barr-Virus trickst
unser Immunsystem geschickt
aus und macht sich unsichtbar.
Immer wieder wird es dann
kurzzeitig aktiv und es kommt
dann zu Neuinfektionen.
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