KPU oder HPU?
Kryptopyrrol ist chemisch exakt 2,4-Dimethyl-3-Ethylpyrrol.
Diese Verbindung wurde erstmals von Donald G.
Irvine 1969 entdeckt und 1970 von A. Sohler, dem
leitenden Chemiker des Brain Bio Centers in Princeton,
NJ, bestätigt.
HPU (5-Hydroxy-Hämopyrrollaktam-Zink-Chelat-Komplex)
ist eine chemische Verbindung, die im Urin nachgewiesen
werden kann. Sie wurde um das Jahr 2000 in den
Niederlanden von Mitarbeitern des KEAC (Klinisch
Ecologisch Allergie Centrum) in Weert in Zusammenarbeit
mit der Universität in Wageningen als Hauptbestandteil
einer Stoffwechselstörung identifiziert.
Was ist der Unterschied?
Es sind unterschiedliche Messmethoden. Die Amerikaner
machen keinen Unterschied und nennen die Patienten
einfach Pyrrolics. In Europa existieren
beide Bezeichnungen. Die Labors in Deutschland
und in der Schweiz messen Kryptopyrrol.
Eine Kryptopyrrol-Bestimmung weicht nur geringfügig
von einer HPU-Bestimmung ab, die aufwendiger und
teurer ist. Tapan Audyha hat einen Korrelationsfaktor
für beide Tests entwickelt. Er liegt bei
0,92. Anders ausgedrückt: Es besteht eine
starke Übereinstimmung zwischen den Testergebnissen,
die man beim HPU-Test oder beim KPU-Test
(Kryptopyrrol-Test) erhält. Deshalb gehe
ich davon aus, dass Patienten, bei denen ausschließlich
auf HPU getestet wurde, sehr ähnliche klinische
Symptome aufweisen wie Patienten mit KPU und die
Therapie sich ebenfalls nicht wesentlich unterscheidet.
Ein gemeinsamer Begriff für beide Krankheitsbezeichnungen
ist die Bezeichnung Pyrrolurie.
Die Untersuchungsergebnisse in diesem Buch wurden
überwiegend an Patienten mit einer erhöhten
morgendlichen Ausscheidung von Kryptopyrrol im
Urin erhoben. Im Text wird deshalb die Bezeichnung
Kryptopyrrolurie bevorzugt, neben den Begriffen
KPU und HPU.
Das Wichtigste auf einen
Blick
Wenn Ihr Arzt Ihnen mitteilt, dass Sie an KPU
leiden, ergeben sich sehr viele Fragen. Dieser
Ratgeber soll Ihnen helfen, mit Ihrer Erkrankung
besser zurechtzukommen und die Krankheitssymptome
besser zu deuten. Nicht alle Symptome müssen
bei Ihnen vorkommen. Dieser Ratgeber soll auch
mithelfen, dass Ihre Mitmenschen Sie besser verstehen.
Dadurch können Missverständnisse vermieden
werden.
Was bedeutet KPU, was
bedeutet HPU?
KPU ist eine Abkürzung für Kryptopyrrolurie.
Kryptopyrrol ist eine chemische Substanz, die
über den Urin ausgeschieden wird. Der exakte
chemische Name ist 2,4-Dimethyl-3-Ethylpyrrol.
Eine ältere Bezeichnung ist Malvaria. Die
Substanz wurde 1969 entdeckt. Es ist das Verdienst
von Carl Curt Pfeiffer am Brain Bio Center in
Princeton, New Jersey, dass ab 1970 klinische
Untersuchungen über diese Erkrankung stattfanden.
Seine Forschung wirkt bis heute. HPU steht für
5-Hydroxy-Hämopyrrollaktam-Zink-Chelat-Komplex.
Diese chemische Verbindung kann ebenfalls im Urin
nachgewiesen werden.
Woher kommt das Pyrrol?
Pyrrole sind Bausteine des Häms, also des
roten Blutfarbstoffs. Aber auch das Entgiftungssystem
der Leber Zytochrom P 450 besteht aus diesen Bausteinen.
Es handelt sich um komplexe Ringsysteme, in deren
Zentrum ein Metall-Ion als Zentralatom gebunden
ist. Beim Hämoglobin ist es Eisen. Von Bedeutung
ist, dass es aufgrund mehrerer Enzymdefekte zu
Häm-Synthese-Störungen kommt, wodurch
ein Anstieg von Pyrrolen im Blut auftritt. Diese
Pyrrole werden schließlich über die
Niere ausgeschieden.
Was passiert bei der
Ausscheidung über die Nieren?
Das Pyrrol bildet mit Pyridoxal-5-Phosphat, das
ist die chemische Bezeichnung für Vitamin
B6, Zink und auch in geringerem Ausmaß mit
Mangan einen Komplex, der dann mit dem Urin ausgeschieden
wird. Durch diesen Vorgang kommt es zu einem Defizit
dieser Stoffe im menschlichen Körper, das
allein mit der Ernährung nicht ausgeglichen
werden kann.
Wie häufig kommt
diese Krankheit vor?
Es wird geschätzt, dass bei etwa 10 % der
Bevölkerung Kryptopyrrol im Urin nachweisbar
ist. Dabei können viele dieser Menschen jedoch
völlig ohne Symptome sein. Frauen sind viel
häufiger betroffen als Männer. Das Verhältnis
beträgt etwa 8:1.
Ist diese Krankheit
erblich?
Eine familiäre Häufung ist feststellbar,
es scheint eine genetische Anlage zu bestehen.
Es wurde außerdem beobachtet, dass in diesen
Familien häufiger Mädchen als Jungen
geboren werden.
Ist diese Krankheit
ansteckend?
KPU ist nicht ansteckend wie beispielsweise Schnupfen.
Auch über eine Bluttransfusion ist diese
Stoffwechselstörung nicht übertragbar.
Wie wird KPU im Labor
festgestellt?
Für die Urinuntersuchung werden 10 ml frischer
morgendlicher Urin benötigt, der in ein Spezialröhrchen
eingefullt wird, das Vitamin C als Stabilisator
enthält. Der Urin muss spätestens nach
fünf Tagen untersucht werden.
Alle Vitamin-B-Praparate und Zink müssen
eine Woche lang vorher abgesetzt werden, weil
sonst das Messergebnis zu niedrig ausfallen kann
(falsch negativ). Die Messung erfolgt mit einem
UV-Photometer bei 540 nm Wellenlänge. Bei
der Messung von KPU ist ein Wert über 15
ug/dl pathologisch. Wenn HPU, der 5-Hydroxy-Hämopyrrollaktam-Zink-Chelat-Komplex,
gemessen wird, liegt der Grenzwert bei 0,6 umol/l.
Welche Symptome sprechen
für KPU?
KPU ist verantwortlich für eine Vielzahl
von Beschwerden und Symptomen. Nicht alle müssen
zutreffen. Hier eine Zusammenstellung:
Äußeres Erscheinungsbild
Das Gesicht ist blass, manchmal zeigt sich auch
ein gelblicher Schimmer. Es wird über Juckreiz
am Körper berichtet. Das Gesicht wird auch
in der Sonne nicht braun im Gegensatz zu den Oberarmen,
die durchaus gebräunt sein können. Dadurch
wird der Unterschied der Hautfarbe noch deutlicher.
Sonnenlicht wird allgemein schlecht vertragen,
ebenso grelles Licht. Das Gesicht ist etwas aufgedunsen
mit Schwellungen im Bereich der Wangen und um
die Augen. Es fallen Augenringe auf. Scheinbar
liegen die Augen tiefer in den Augenhöhlen.
Die Schneidezähne sind betont und liegen
eng zusammen. Der Zahnschmelz ist weich und oft
sind die Zähne kariös. Die Lippen sind
blass und die Bindehäute der Augen sind hell.
An der Haut sind Bindegewebsstreifen (Striae)
wie nach einer Schwangerschaft zu sehen, z.B.
an Oberschenkeln, Brüsten und Hüften.
Die Fingernägel weisen weiße Flecken
auf. Die Haare sind oft licht und es wird über
Haarausfall berichtet. Manchmal besteht ein süßlicher
Körpergeruch. Akne, Ekzeme und Schuppenflechte
kommen gehäuft vor.
Bewegungsapparat
Die
Gelenke sind allgemein überbeweglich (Hypermotilität).
Arme, Hände und Finger können überstreckt
werden. Eine Besonderheit ist, dass der Daumen
so weit überstreckt werden kann, dass er
fast bis zur Innenseite des Unterarmes reicht,
wo der Puls gemessen werden kann. Im späteren
Leben tritt allerdings dann eine zunehmende Steifheit
der Gelenke ein, vor allem im Knie- und Beckenbereich.
Die Muskulatur ist schwach, es besteht eine allgemeine
Muskelschwäche. Dies betrifft vor allem die
Arme und den Rumpf. Die Beinmuskulatur ist besser
entwickelt. Da rasch eine Überforderung des
Bewegungsapparates eintritt, klagen die Patienten
oft über Muskel- und Gelenkschmerzen, die
uncharakteristisch sind und bisher schlecht auf
eine Therapie angesprochen haben.

Magen- und Darmbeschwerden
Magen- und Darmbeschwerden sind häufig. Sehr
oft wird berichtet, dass schon kurze Zeit nach
dem Essen der Bauch aufgebläht ist und schmerzt.
Übelkeit, vor allem morgens, ist häufig.
Durchfall und Verstopfung wechseln sich ab. Auch
über verstärkten Mundgeruch wird geklagt.
Eine vegetarische Ernährung wird oft bevorzugt.
Herz-Kreislauf-System
Bei vielen Patienten mit Kryptopyrrolurie kann
im Blut ein erhöhter Homozysteinspiegel gemessen
werden. Bis heute ist allerdings nicht geklärt,
ob diese Tatsache zu einer Zunahme kardiovaskulärer
Erkrankungen führt.
Menstruationsbeschwerden,
Schwangerschaftsprobleme, Potenzstörungen
Frauen berichten häufig über eine unregelmäßige
Menstruation, klagen über prämenstruelle
Syndrome wie vermehrte Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen,
Spannungsgefühl der Brüste, der Füße
und Hände und Schmerzen im Unterbauch. Schwangerschaftserbrechen
tritt gehäuft auf. Die Fruchtbarkeit ist
herabgesetzt. Schwangerschaftskomplikationen sind
häufiger als bei gesunden Frauen. Da Männer
seltener an dieser Erkrankung leiden, ist eine
Aussage über Potenzstörungen schwierig.
Dieses Problem scheint aber bei jungen Männern
gehäuft aufzutreten.
Psychische und psychosomatische
Störungen
Eine Verschlechterung des Gedächtnisses,
vor allem des Kurzzeitgedächtnisses, wird
sehr häufig beobachtet. Die Patienten können
sich nicht mehr an ihre Träume erinnern.
Vor allem Gehörtes können sich die Patienten
schlecht merken. Dies führt dazu, dass im
Gespräch immer wieder Zwischenfragen gestellt
werden, um das Gehörte besser behalten zu
können. Auch das Namensgedächtnis ist
schlecht. Die Konzentrationsfähigkeit ist
herabgesetzt. Die Stimmungslage ist häufig
depressiv. Sie wirken erschöpft. Unter Stressbelastung
verstärken sich die Leistungsdefizite. Ängste
und Panik nehmen zu. Die Folge ist meist ein Rückzug
vom gesellschaftlichen Leben. Beschrieben sind
auch psychotische Störungen, Halluzinationen
und Schizophrenie. Kinder können hyperaktiv
sein. Andererseits sind diese Menschen kreativ
und originell.
Störungen des Immunsystems
Infekte der oberen Luftwege und Blasenentzündungen
bei Frauen kommen gehäuft vor. Bei Kindern
sind wiederkehrende Mittelohrentzündungen
vorherrschend.
Medikamentenunverträglichkeit
Viele Medikamente werden schlecht vertragen und
die Patienten reagieren stark mit Nebenwirkungen.
Falls Medikamente erforderlich sind, muss Ihr
behandelnder Arzt entscheiden, ob die Medikamentendosis
reduziert werden muss. Die wirksame Dosis eines
Medikamentes kann 25 % der sonst üblichen
Dosierung betragen. Sogenannte porphyrinogene
Stoffe sollten vermieden werden. Dies sind chemische
Verbindungen oder Hormone, die zu einer Verschlechterung
des Häm-Stoffwechsels führen und Krankheitssymptome
auslösen können.
Schilddrüsenunterfunktion
Viele Patienten mit KPU leiden an einer Schilddrüsenunterfunktion,
wodurch die Beschwerdesymptomatik verstärkt
wird.
Ist KPU heilbar?
Die Symptome von KPU können durch die Einnahme
von Mikronährstoffen deutlich vermindert
oder sogar vollständig beseitigt werden.
Vitamin B6, Zink und Mangan müssen dem Körper
zugeführt werden. Die vollständige Rückbildung
der Symptome kann allerdings Monate dauern und
ist abhängig vom Lebensalter. Bei Kindern
werden oft sehr rasche Verbesserungen beobachtet.
Falls eine Abschwächung der Symptomatik ausbleibt,
müssen weitere Untersuchungen durchgeführt
werden. Die Abklärung der Schilddrüsen-
und der Nebennierenfunktion steht dann ganz im
Vordergrund. Auch die Überprüfung der
biogenen Amine Histamin, Spermin und Spermidin
ist ratsam. Insgesamt erfordert die Behandlung
viel Geduld und Verständnis für die
Besonderheiten der Erkrankung.
Beispielhafte Krankheitsverläufe
Um die Vielfalt der Krankheitsverläufe zu
zeigen, sind hier einige Beispiele dargestellt.
Chronische Müdigkeit
· Depression · Hashimoto
Eine 35-jährige Frau klagt über starke
Müdigkeit und Antriebslosigkeit. Sie ist
nur noch in der Lage, vier Stunden am Tag am Empfang
einer Kanzlei zu arbeiten. Ihre Vergesslichkeit
hat trotz eines ausgefeilten Merksystems zugenommen.
In der Urlaubszeit, wenn sie vier Wochen in Vollzeit
arbeiten muss, bricht sie fast zusammen. Nach
der Arbeit muss sie sich sofort hinlegen. Alle
Arbeit im Haushalt bleibt liegen. Der Kontakt
zu Freunden und Bekannten ist nicht möglich.
Seit Jahren nimmt sie ein Antidepressivum vom
Typ der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer ein, zuletzt
nur noch in ganz niedriger Dosis, weil keine Besserung
in Sicht ist. Mehrere stationäre Aufenthalte
in psychosomatischen Kliniken haben ihr nicht
geholfen. Bei der Arbeit zittert sie so, dass
sie täglich größere Mengen Baldrian
einnimmt, um nicht aufzufallen. Gleichzeitig leidet
sie an der atrophischen Form einer Hashimoto-
Thyreoiditis, einer entzündlichen Schilddrüsenerkrankung.
Es besteht eine Hypothyreose, sodass Schilddrüsenhormon
substituiert werden muss. Nach Erreichen einer
normalen Stoffwechsellage kommt es zu keiner Verbesserung.
Eine Nebenniereninsuffizienz konnte durch ein
Kortisol-Tagesprofil mithilfe eines Speicheltestes
ausgeschlossen werden. Die Ausscheidung von Kryptopyrrol
ist erhöht. Eine Therapie mit Mikronährstoffen
wird begonnen.
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